Es sind zwei Seiten einer Medaille: Die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V1) hat zutage gefördert, dass sich die schweren Parodontalerkrankungen bei den jüngeren Erwachsenen halbiert haben und bei den jüngeren Senioren trotz einer größeren Anzahl erhaltener Zähne ein rückläufiger Trend bei der Parodontitis zu verzeichnen ist. Und dennoch: Insgesamt steigt der Behandlungsbedarf bei der Parodontitis aufgrund der demografischen Entwicklung prognostisch an – was tun?
Eine hohe Sicherheit gibt dem behandelnden Zahnarzt dabei die anerkannte Aussage, dass in zahlreichen systematischen Übersichtsarbeiten weltweit die Effektivität der systematischen Parodontitistherapie einschließlich einer lebenslangen unterstützenden Nachsorge konsentiert wurde2. In der Praxis kommen bewährte Verfahren zur Anwendung, wie zum Beispiel Scaling und Root-planing, chirurgische Maßnahmen und Antibiose.
Auf allen diesen Gebieten zeigen sich aktuell bedeutende Fortschritte. Eine solide Basis für Therapie und Prophylaxe schafft dabei die Diagnostik. Denn wer den für eine Parodontitis ursächlichen bakteriellen Biofilm bekämpfen möchte, sollte dessen Natur einschätzen können. Basis sind die Sondierung der periimplantären Taschen mit der Parodontalsonde und die Erhebung klinischer Parameter wie Bluten nach Sondierung, Plaqueindizes sowie radiologische Diagnostik. Bei Bedarf kann dabei auch ein dreidimensionales Röntgenbild eine Option darstellen, wobei Volumentomographen der neuesten Generation strahlungsarme Aufnahmen bei bestechender Bildqualität ermöglichen und dabei zum Beispiel Knocheneinbrüche gut sichtbar machen können.
Mikrobiologie macht Pathogene dingfest
Darüber hinaus bieten Bakterien- und DNA-Tests eine weitere Dimension zum Zwecke der prognoseerleichternden Ursachenforschung. So weiß man etwa, dass ein Zusammenhang zwischen dem subgingivalen Keimspektrum und den parodontalen Entzündungsparametern besteht, wobei insbesondere die Anwesenheit bestimmter Keime [Porphyromonas gingivalis (PG), Tannerella forsythia (TF) und Treponema denticola (TD) aus dem Roten Komplex] sowie von Aggregatibacter actinomycetemcomitans (AA) eine Rolle spielen. Sie sind mit zukünftig fortschreitendem Attachmentverlust assoziiert3,4,5.
Zur Erfassung der betreffenden Erreger stehen heute sowohl laborgestützte als auch Chairside-Verfahren zur Verfügung – zum Beispiel für eine reproduzierbare Erfassung der parodontopathogenen Markerkeime innerhalb von zwei Tagen mit einem DNA-Test6: „Nach der Isolierung der bakteriellen Desoxyribonukleinsäuren werden die der nachzuweisenden Bakterien mithilfe spezifischer Primer (Oligonukleotide) in der Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) vermehrt und dann mit einer bestimmten Nachweismethodik (z.B. Hybridisierung) dargestellt. Die PCR kann dabei als qualitatives Verfahren oder auch als quantitative Methodik zur Erfassung der Menge vorhandener Genommengen (und damit auch Bakterienmengen) eingesetzt werden.“ Darüber hinaus können das genetisch bedingte Parodontitis-Risiko bestimmtwerden (Interleukin-1β-Polymorphismus-Test) oder Gewebedestruktionsprozesse eingeschätzt (z.B. Test auf aktive Matrixmetalloproteinase-8 [aMMP-8] in der Sulkusflüssigkeit).
Für eine noch zuverlässigere Erfolgssicherung
Von der Diagnostik zur supra- und subgingivalen Biofilm- und Konkremententfernung: Hier bieten sich klassische Handinstrumente ebenso an wie maschinelle Verfahren, wobei die Schmerzlinderung, der Zeitfaktor und der Behandlungskomfort eine wesentliche Rolle spielen. Zur Schmerzlinderung können spezielle Parodontal-Gele mit Lokalanästhetika dienen (Stichwort: „Betäubung ohne Spritze“). Als Technologien für die maschinelle Instrumentierung stehen piezokeramisch oder magnetorestriktiv arbeitende Ultraschallsysteme sowie Pulverstrahlgeräte (Glycin- oder Erythritol-Pulver) zur Verfügung.
Als adjuvante Maßnahmen kommt zum Beispiel die Photodynamische Therapie mit dem Laser in Frage: Farbstoffe heften sich an Plasmaproteine, die in Membranen von Bakterienzellen vorkommen, werden mit einem Diodenlaser aktiviert (780-820 nm), und die entstehenden lokalen Hitzepeaks zerstören die Bakterien. Darüber hinaus gibt es auch spezielle Optionen für die häusliche Mundhygiene. Zu ihnen zählen antimikrobielle Therapeutika, die zum Beispiel auf Pflanzenölen und/oder Ozoneinwirkung basieren können, oder immunmodulierende Substanzen, wie etwa Probiotika.
Selbst ein „Impfstoff“ gegen Parodontitis befindet sich in der Entwicklung6: Sein Ziel stellen im Bakterium Porphyromonas gingivalis gebildete Enzyme dar. Im Endeffekt wird das Immunsystem des Patienten zur Bildung von Antikörpern angeregt; diese wiederum neutralisieren die zerstörerischen Toxine des Pathogens. Es besteht die Hoffnung, auf diese Weise den Erfolg klassischer zahnärztlicher Therapien sichern und über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten zu können.
Der Laser in der Lappen-OP
In schwereren Fällen (Taschentiefen > 6 mm) können dabei auch chirurgische Eingriffe (Lappen-OP) indiziert sein. Um diese möglichst gering invasiv zu gestalten, kann der Zahnarzt auf geeignete Schnitt- und Nahttechniken zurückgreifen. An Bedeutung gewinnt dabei die Laserzahnheilkunde, etwa in Form eines „berührungsfreien Schnitts“ mit dem 445-Nanometer-Diodenlaser. Sein blauer Strahl dringt weniger tief ins Gewebe ein. Das macht besonders schonende Schnitte möglich und vermindert die Gefahr unbeabsichtigter Verletzungen. Bei der Geweberegeneration helfen zum Beispiel künstliche Matrizes. Sie liegen auf der Wurzeloberfläche an, tragen dort zur parodontalen Zellmigration bei und schaffen, als klinisch messbare Größe, ein Plus an Attachment.
Ob bei diagnostischen Verfahren, Instrumenten für den chirurgischen Eingriff, chemischen und mechanischen Hilfsmitteln für die Prophylaxe oder biologischen Wachstumsfaktoren für die Geweberegeneration: Auf allen Gebieten präsentiert sich die Parodontologie vielfältig und innovativ. Mit der zunehmenden Bedeutung der Parodontitis haben sich auch die Möglichkeiten zu Prävention und Therapie weiterentwickelt.