24 May, 2023
Staubige Straßen, Pferdefuhrwerke, Gesetzlose mit Colts und abseits von Poststelle, Bahngleisen und Saloons nur eine endlos weite Landschaft mit Kakteen: Der Wilde Westen im 19. Jahrhundert weckt viele Assoziationen, eine allerdings nicht – die eines Zahnarztes im weißen Kittel. Dabei gibt es erstaunliche Verbindungen. Denn einer der berühmtesten Westernhelden überhaupt war studierter Zahnarzt, genauso wie der wichtigste Autor von Westernromanen. Dallas, Texas, 1873: Doc Holliday betritt die Szene. Ein hagerer, stets elegant gekleideter Mann mit gepflegtem Haar und Oberlippenbart. Er hatte 1872 am Pennsylvania College of Dental Surgery promoviert und war in vielerlei Hinsicht eine absolute Ausnahmeerscheinung seiner Zeit. Denn Zahnärzte waren alles andere als alltäglich an der Grenze der bekannten Welt – dentale Eingriffe beschränkten sich fast immer nur auf die Extraktion übel infizierter Zähne, die Schmerzen verursachten, deren Intensität einem veritablen Bauchschuss nahekamen. Ausgeführt wurden die Prozeduren unter unterirdischen hygienischen Bedingungen von Berufsfremden. Ob dabei immer der richtige Molar lokalisiert wurde, ist mehr als fraglich. Holliday war da ein ganz anderes Kaliber: Glaubhafte Überlieferungen schildern den Doc als hochversierten Zahnarzt – berühmt wurde er aber durch zusätzliche Skills, die ganz zu den Klischees des Westens passen: Denn tagsüber praktizierte er am Patienten, doch nachts griff er im Saloon zu den Spielkarten. Seinem legendären Ruf als raffinierter Glücksspieler (Poker, was sonst) und standfester Trinker (Whiskey, was sonst) wurde er wohl mehr als gerecht. In die amerikanische Geschichte ging er vor allem wegen seiner schnellen Hand am Colt ein.